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19.03.2021 - Leitungswechsel - Mit Aufbruchsstimmung in herausfordernde Zeiten
Es ist kein leichter Job, wenn man in diesen Wochen die Führung einer Einrichtung übernimmt. Aber Christoph Cramme, der neue Leiter des Pädagogischen Zentrums Schloss Niedernfels, lässt sich den Optimismus bei seinem Start nicht nehmen. Sein Fokus: das Wohlergehen der Betreuten wie der Mitarbeitenden.
Christoph Cramme, der neue Leiter des Pädagogischen Zentrums Schloss Niedernfels. Alle Fotos: Gabriele Heigl/KJF
Ortstermin in Niedernfels. Der erste Eindruck: Idylle pur, und das an einem eher trüben Tag. Da ragt das Schloss mit den zwei charakteristischen Türmen auf, im Hintergrund sieht man den Bergrücken und den Hausberg Hochplatte, zu dessen Gipfel direkt hinter dem Schloss der Weg hinaufführt. Links vom Schloss neben dem Verwaltungs- und Wohngruppenbau liegt das langgestreckte Gebäude der Franz-von-Sales-Schule, ein Neubau, der erst 2009 bezogen wurde. Zwischen Verwaltungs- und Schulgebäude plätschert der Tennenbodenbach talabwärts. In dieser Idylle leben und lernen weit über 200 Kinder und Jugendliche – vor Corona muss man ergänzen. Denn natürlich läuft auch in Niedernfels derzeit einiges anders.
Blick auf den Schulhof. In der Mitte liegt das Schloss, rechts der Verwaltungs- und Wohngruppentrakt.
Der sichtbare Bergfelsen in diesem besonderen Zimmer im Schloss macht es zum "Felsenzimmer".
Zum Jahresanfang hat Christoph Cramme (57) die Leitung der Einrichtung übernommen. Der bisherige Leiter, Bernd Barthel, seit März 2012 an der Spitze, hat sich in die passive Phase seines Vorruhestands verabschiedet. Cramme kennt den Betrieb in Niedernfels schon seit Jahren. Als Bereichsleiter des Stationären Bereichs und als Stellvertretender Einrichtungsleiter wusste er schon vor der Übernahme um die Themen und Probleme. Aber sein Antritt erfolgt in einer besonders schwierigen Zeit.
Bernd Barthel, der seit 2012 die Leitung innehatte. Foto: Wolf/KJF
Gewachsener Hilfebedarf
Auf die Frage nach den Herausforderungen, vor denen er steht, meint er: "Es geht darum, ein regional passendes Angebot zu bewahren, zu schaffen und zu erneuern. In der heutigen Zeit und für uns im Besonderen heißt dies auch, den entsprechenden wirtschaftlichen Rahmen dafür zu schaffen."
Auf die Frage nach den Herausforderungen, vor denen er steht, meint er: "Es geht darum, ein regional passendes Angebot zu bewahren, zu schaffen und zu erneuern. In der heutigen Zeit und für uns im Besonderen heißt dies auch, den entsprechenden wirtschaftlichen Rahmen dafür zu schaffen."
Hinzu kommt, dass auch der Hilfebedarf über die Jahre immer größer geworden ist, so dass sich die Einrichtung gezwungen sah, die Gruppen in heilpädagogische Wohngruppen umzuwandeln. Diese haben jedoch einen höheren Personalbedarf, und die Arbeitsmarktlage gerade in diesem Bereich ist schwierig. "Generell ist der Markt für uns leer, speziell im Bereich der Pädagogischen Fachkräfte." Die Arbeit im Schichtdienst mit schwierigen Heranwachsenden sei belastend. "Das muss man mit Überzeugung machen", so Cramme.
Zur Person Am Jahresanfang 2021 übernahm Christoph Cramme (57) die Leitung des Pädagogischen Zentrums Schloss Niedernfels von Bernd Barthel, der die passive Phase des Vorruhestands antrat. Cramme ist gelernter Jugend- und Heimerzieher und zertifizierter Qualitätsmanagement-Beauftragter TÜV Süd. Er arbeitete seit Februar 2015 in Niedernfels als Bereichsleiter des Stationären Bereichs und als Stellvertretender Einrichtungsleiter. Zuvor war er etwa 25 Jahre lang im Asthma- und Diabeteszentrum Berchtesgaden des Christlichen Jugenddorfwerkes Deutschland e.V. beschäftigt. Cramme ist gebürtiger Stuttgarter, verheiratet und ist 1989 aus beruflichen Gründen nach Berchtesgaden gezogen. Dort sind auch die zwei inzwischen erwachsenen Kinder groß geworden. Seit drei Jahren wohnt er in Waging am See. Seinen Ausgleich findet er beim Reisen und vor allem beim Rennradfahren.
Das Führungsteam in Niedernfels. Von links: Christoph Cramme, Schulleiter Christian Auer und Nicole Schulz, Leiterin Stationärer Bereich.
Blick in ein Klassenzimmer im Schloss.
Das Pädagogische Zentrum Schloss Niedernfels in Zahlen 189 SchülerInnen besuchen die Franz-von-Sales-Schule. 18 LehrerInnen unterrichten an der Schule. 18 Sonstige Mitarbeitende gibt es an der Schule. 57 Kinder besuchen den Hort. 15 Kinder sind in der Mittagsbetreuung. 46 Kinder und Jugendliche leben im Heim/Internat. 19 Kinder besuchen die Heilpädagogische Tagesstätte. 12 PädagogInnen arbeiten im Hort. 7 PädagogInnen arbeiten in der Heilpädagogische Tagesstätte. 25 PädagogInnen arbeiten in den Wohngruppen. 23 Mitarbeitende gibt es im unterstützenden Bereich. 103 Mitarbeitende arbeiten insgesamt in Niedernfels.
Überhaupt sei die Jugendhilfe ein komplizierter Bereich. "Sie ist teuer, und man kann mit den schwierigen Jugendlichen wenig Staat machen", so Cramme. Die Scheidungsquote der Eltern der Betreuten von Niedernfels ist mit 70 bis 80 Prozent sehr hoch. Viele Kinder haben Sozialstörungen, werden gemobbt, leiden unter Legasthenie, ADHS und/oder depressiven Verstimmungen und haben die sozialen Sprachregeln nicht gelernt. Auch hoher Medienkonsum spielt eine Rolle. Oftmals hilft dann nur ein stationärer Aufenthalt. Cramme: "Die Eltern kommen ihrem Erziehungsauftrag nicht nach und brauchen selbst Unterstützung." Das Ziel der Einrichtung sei es, dass die Kinder (wieder) ein strukturiertes Leben führen können.
Schulleiter Christian Auer am Haupteingang der Schule.
Hausaufgabenraum im Schloss.
Pluspunkt Schule
Gefragt nach seinen Zielen meint Cramme: "Ich möchte, dass die uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen im Pädagogischen Zentrum einen Rahmen vorfinden, in dem sie sich entwickeln und reifen können, und dass sie gemeinsam mit uns versuchen, ihre Ziele zu erreichen." Genauso wichtig ist ihm das Wohlergehen seiner Mitarbeitenden. "Es soll ihnen ein Rahmen geboten werden, innerhalb dessen sie gerne und erfolgreich arbeiten können." Dazu gehöre auch, dass er als neuer Leiter Aufbruchsstimmung verbreiten wolle, auch wenn die Zeiten schwierig seien.
Der große Pluspunkt des Pädagogischen Zentrums ist die zur Einrichtung gehörende Franz-von-Sales-Schule, die von Christian Auer geleitet wird. "Es gibt wenige vergleichbare Einrichtungen, die auch eine haben", so Cramme. Dadurch, dass die Bereiche Schule und Soziales in Niedernfels so eng zusammenarbeiten, "wissen die Lehrkräfte von den Problemen und Hintergründen der Schüler aus den Heimgruppen, und die Heim-Pädagogen sind im Austausch mit den Lehrkräften über die besonderen Probleme in der Schule."
Text: Gabriele Heigl, KJF-Pressesprecherin
Gefragt nach seinen Zielen meint Cramme: "Ich möchte, dass die uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen im Pädagogischen Zentrum einen Rahmen vorfinden, in dem sie sich entwickeln und reifen können, und dass sie gemeinsam mit uns versuchen, ihre Ziele zu erreichen." Genauso wichtig ist ihm das Wohlergehen seiner Mitarbeitenden. "Es soll ihnen ein Rahmen geboten werden, innerhalb dessen sie gerne und erfolgreich arbeiten können." Dazu gehöre auch, dass er als neuer Leiter Aufbruchsstimmung verbreiten wolle, auch wenn die Zeiten schwierig seien.
Der große Pluspunkt des Pädagogischen Zentrums ist die zur Einrichtung gehörende Franz-von-Sales-Schule, die von Christian Auer geleitet wird. "Es gibt wenige vergleichbare Einrichtungen, die auch eine haben", so Cramme. Dadurch, dass die Bereiche Schule und Soziales in Niedernfels so eng zusammenarbeiten, "wissen die Lehrkräfte von den Problemen und Hintergründen der Schüler aus den Heimgruppen, und die Heim-Pädagogen sind im Austausch mit den Lehrkräften über die besonderen Probleme in der Schule."
Text: Gabriele Heigl, KJF-Pressesprecherin
Der jährliche Abschluss-Gottesdienst auf der Alm musste letztes Jahr Corona-bedingt ausfallen. Normalerweise wandern alle Kinder und Mitarbeitenden auf die 1070 Meter hoch gelegene Staffn-Alm direkt oberhalb der Einrichtung. Neben dem fantastischen Ausblick auf den Chiemsee und das Chiemgau sowie das wunderbare gemeinsame Erlebnis gibt es bei diesem Anlass immer 40 Kilo Leberkäse aus der Einrichtungsküche.
Unsere Einrichtung: Das Pädagogische Zentrum Schloss Niedernfels Seit 1955 betrieb das Konvent der "Schwestern von der Heimsuchung Mariä" in Schloss Niedernfels eine Volksschule mit Internat, später auch ein Tagesheim. 1997 übernahm die KJF die Trägerschaft. Seitdem hat sich Schloss Niedernfels zu einem Pädagogischen Zentrum entwickelt mit vielfältigen Angeboten im Bereich der Franz-von-Sales-Schule (eigene Grund- und Mittelschule, Soziale Trainings-Klasse), im Teilstationären Bereich (Heilpädagogische Tagesstätten in Niedernfels und Traunstein, Hortgruppen) und im Stationären Bereich (Jugendhilfe-Wohngruppen und Internats-Wohngruppe). Der Einzugsbereich der Betreuten umfasst etwa 150 Kilometer um Niedernfels herum. Die Stamm-Landkreise sind Traunstein, Rosenheim und Berchtesgaden-Land mit den Landkreisen drum herum wie zum Beispiel Mühldorf und Altötting. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit den Jugendämtern und dem Bezirk Oberbayern. Hinten links der Neubau der Schule, der 2009 bezogen werden konnte, in der Mitte der Verwaltungs- und Wohngruppentrakt und vorne rechts das Schloss. Foto: Gabriele Heigl/KJF