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23.04.2021 - Kinder- und Jugendhilfe wird von der Politik vergessen
Das Pädagogische Zentrum Schloss Niedernfels, malerisch in der Nähe von Marquartstein im Landkreis Traunstein gelegen, erwies sich als einigermaßen krisenfest in diesen schwierigen Corona-Monaten. Aber die Verantwortlichen wünschen sich mehr Unterstützung durch die Politik.
Schulleiter Christian Auer ist froh, dass die Franz-von-Sales-Schule Niedernfels schon vor Corona digital gut aufgestellt war. Alle Fotos: Gabriele Heigl/KJF
Ortstermin mit Christian Auer, Leiter der Franz-von-Sales-Schule Niedernfels. Das Gespräch findet mit Extra-Abstand im großen Lehrerzimmer statt. Christian Auer ist der Typ Mensch, den so schnell nichts aus der Ruhe bringt. Das ist gut in Zeiten von Corona, in denen die Schulen besonders gebeutelt waren und sind. Die Frage nach dem Gemütszustand der Schulfamilie beantwortet er lakonisch: "Es ist ein Wechsel der Gefühle genau wie in der Gesellschaft." Er kann sich noch gut an den 13. März 2020 erinnern. An diesem Tag sagte er in der Lehrerkonferenz: "Ich fürchte, diese Welt wird nicht mehr dieselbe sein." Damals habe man ihn ausgelacht und das für übertrieben gehalten. Eine Woche später begann der erste Lockdown mit Schulschließungen in fast allen Bundesländern.
Glücklicherweise war die Schule schon lange digital sehr gut aufgestellt, erzählt Auer. Gleich im April besorgte er über Sponsoren 20 Laptops und PCs. "Das war wichtig, weil schnell klar war, dass wir unsere Wohngruppen-Kinder die ganze Zeit über hier haben würden." Den Kindern gehe es verhältnismäßig gut; sie kommen gerne in die Schule. "Es ist so schön, dass ich wieder da sein darf", habe der Ausruf von vielen nach dem Ende des ersten Lockdowns gelautet. "Aber nach drei Tagen wurde natürlich trotzdem wieder geschimpft", lacht Auer. Manche aus den Hochrisikogruppen sind seit 13. März 2020 im Homeschooling. Einer von diesen Schülern wird heuer trotz der widrigen Umstände seinen Quali machen. Man merkt Christian Auer die Freude darüber an.
Mit Blick auf die Gesellschaft meint er, dass es bei sozial schwachen und sozial auffälligen Kindern durch Corona schwieriger werde. "Manche von ihnen werden wir vielleicht sogar lebenslänglich verlieren", so Auer mit ernster Miene. Vor allem Alleinerziehende seien eben jetzt besonders oft überfordert. Außerdem könne in dieser Ausnahmesituation die Schulpflicht nicht erzwungen werden. Die Polizei fährt zwar hin, wenn das Kind schon länger nicht mehr am digitalen Unterricht teilgenommen hat. Aber wenn es sagt: "Das WLAN ist abgestürzt", dann muss sie unverrichteter Dinge wieder abziehen.
Glücklicherweise war die Schule schon lange digital sehr gut aufgestellt, erzählt Auer. Gleich im April besorgte er über Sponsoren 20 Laptops und PCs. "Das war wichtig, weil schnell klar war, dass wir unsere Wohngruppen-Kinder die ganze Zeit über hier haben würden." Den Kindern gehe es verhältnismäßig gut; sie kommen gerne in die Schule. "Es ist so schön, dass ich wieder da sein darf", habe der Ausruf von vielen nach dem Ende des ersten Lockdowns gelautet. "Aber nach drei Tagen wurde natürlich trotzdem wieder geschimpft", lacht Auer. Manche aus den Hochrisikogruppen sind seit 13. März 2020 im Homeschooling. Einer von diesen Schülern wird heuer trotz der widrigen Umstände seinen Quali machen. Man merkt Christian Auer die Freude darüber an.
Mit Blick auf die Gesellschaft meint er, dass es bei sozial schwachen und sozial auffälligen Kindern durch Corona schwieriger werde. "Manche von ihnen werden wir vielleicht sogar lebenslänglich verlieren", so Auer mit ernster Miene. Vor allem Alleinerziehende seien eben jetzt besonders oft überfordert. Außerdem könne in dieser Ausnahmesituation die Schulpflicht nicht erzwungen werden. Die Polizei fährt zwar hin, wenn das Kind schon länger nicht mehr am digitalen Unterricht teilgenommen hat. Aber wenn es sagt: "Das WLAN ist abgestürzt", dann muss sie unverrichteter Dinge wieder abziehen.
Einrichtungsleiter Christoph Cramme wünscht sich mehr Anerkennung für die Mitarbeitenden in der Kinder- und Jugendhilfe – von Seiten der Politik wie der Gesellschaft.
Der Versuch sich Gehör zu verschaffen
Christoph Cramme, der Zentrumsleiter des Pädagogischen Zentrums Schloss Niedernfels, dem die Schule angehört, sieht eine Ungleichbehandlung der Schulen und der Kinder- und Jugendhilfe durch die Politik. An die Schulen werde immer gedacht mit Notbetreuung, Wechsel- und Distanzunterricht und finanzieller Unterstützung. "Aber über die Kinder- und Jugendheime spricht kein Mensch", meint er. Dabei sei es schwierig für die Kinder, die wegen Corona nicht nach Hause fahren dürften. Dennoch versuche er alles, um die Kontakte zu den Eltern aufrecht zu erhalten.
Um der Kinder- und Jugendhilfe mehr Gehör bei der Politik zu verschaffen, schrieb das Jugendhilfenetz Süd-Ost-Bayern an den bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder und die Staatsministerin im Ministerium für Familie, Arbeit und Soziales, Carolina Trautner, im Dezember 2020 einen Brief. Bei dem Netz handelt es sich um einen freien Verbund von 18 Trägern der Kinder-, Jugend- und Behindertenhilfe in den Landkreisen Traunstein, Berchtesgadener Land, Mühldorf und Altötting, dem auch Niedernfels angehört.
In dem Schreiben heißt es: "In unseren Einrichtungen werden über 500 Kinder, Jugendliche und junge Volljährige 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche und 365 Tage im Jahr betreut." Diese jungen Menschen könnten aus verschiedenen Gründen nicht zuhause wohnen. Die Mitarbeitenden würden in der Corona-Pandemie vor besonderen Herausforderungen stehen und seien obendrein noch einem erhöhten Ansteckungsrisiko ausgesetzt. "Leider wurde und wird die Kinder- und Jugendhilfe in der Wahrnehmung als systemrelevanter Bereich regelmäßig vergessen."
Christoph Cramme, der Zentrumsleiter des Pädagogischen Zentrums Schloss Niedernfels, dem die Schule angehört, sieht eine Ungleichbehandlung der Schulen und der Kinder- und Jugendhilfe durch die Politik. An die Schulen werde immer gedacht mit Notbetreuung, Wechsel- und Distanzunterricht und finanzieller Unterstützung. "Aber über die Kinder- und Jugendheime spricht kein Mensch", meint er. Dabei sei es schwierig für die Kinder, die wegen Corona nicht nach Hause fahren dürften. Dennoch versuche er alles, um die Kontakte zu den Eltern aufrecht zu erhalten.
Um der Kinder- und Jugendhilfe mehr Gehör bei der Politik zu verschaffen, schrieb das Jugendhilfenetz Süd-Ost-Bayern an den bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder und die Staatsministerin im Ministerium für Familie, Arbeit und Soziales, Carolina Trautner, im Dezember 2020 einen Brief. Bei dem Netz handelt es sich um einen freien Verbund von 18 Trägern der Kinder-, Jugend- und Behindertenhilfe in den Landkreisen Traunstein, Berchtesgadener Land, Mühldorf und Altötting, dem auch Niedernfels angehört.
In dem Schreiben heißt es: "In unseren Einrichtungen werden über 500 Kinder, Jugendliche und junge Volljährige 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche und 365 Tage im Jahr betreut." Diese jungen Menschen könnten aus verschiedenen Gründen nicht zuhause wohnen. Die Mitarbeitenden würden in der Corona-Pandemie vor besonderen Herausforderungen stehen und seien obendrein noch einem erhöhten Ansteckungsrisiko ausgesetzt. "Leider wurde und wird die Kinder- und Jugendhilfe in der Wahrnehmung als systemrelevanter Bereich regelmäßig vergessen."
Fehlende finanzielle Anerkennung
Es gebe unter anderem zu wenig Schutzausrüstung, diffuse Abrechnungsmodalitäten des erhöhten Betreuungsaufwands und auch keine mediale Wahrnehmung und Wertschätzung der Arbeit der Mitarbeitenden. Verschiedenste Corona-Prämien seien vom Bund und den Ländern ausgerufen worden. "Die MitarbeiterInnen der Kinder- und Jugendhilfe werden dabei nicht berücksichtigt!" Am Ende steht die Bitte, dass die Regierung sich dafür einsetzt, "dass MitarbeiterInnen aus diesem Bereich die gleiche Wertschätzung sowie monetäre Anerkennung für ihren systemrelevanten Einsatz erfahren, wie dies auch im Bereich der Pflege und Behindertenhilfe der Fall ist."
Im Antwortschreiben zeigt Carolina Trautner sich zwar verständnisvoll für die Anliegen und dankt für die geleistete Arbeit. Aber sie schreibt auch, dass der in anderen Bereichen gewährte Corona-Bonus "vor allem auf den Aspekt besonders erhöhter Schutzanforderungen an das Personal abstellt und nicht auf das in allen sozialen und pflegerischen Berufen gelebte herausragende Engagement, mit dem viele Berufsgruppen zur Bewältigung der Krise beitragen."
Es gebe unter anderem zu wenig Schutzausrüstung, diffuse Abrechnungsmodalitäten des erhöhten Betreuungsaufwands und auch keine mediale Wahrnehmung und Wertschätzung der Arbeit der Mitarbeitenden. Verschiedenste Corona-Prämien seien vom Bund und den Ländern ausgerufen worden. "Die MitarbeiterInnen der Kinder- und Jugendhilfe werden dabei nicht berücksichtigt!" Am Ende steht die Bitte, dass die Regierung sich dafür einsetzt, "dass MitarbeiterInnen aus diesem Bereich die gleiche Wertschätzung sowie monetäre Anerkennung für ihren systemrelevanten Einsatz erfahren, wie dies auch im Bereich der Pflege und Behindertenhilfe der Fall ist."
Im Antwortschreiben zeigt Carolina Trautner sich zwar verständnisvoll für die Anliegen und dankt für die geleistete Arbeit. Aber sie schreibt auch, dass der in anderen Bereichen gewährte Corona-Bonus "vor allem auf den Aspekt besonders erhöhter Schutzanforderungen an das Personal abstellt und nicht auf das in allen sozialen und pflegerischen Berufen gelebte herausragende Engagement, mit dem viele Berufsgruppen zur Bewältigung der Krise beitragen."
Unsere Einrichtung: Pädagogisches Zentrum Schloss Niedernfels und Franz-von-Sales-Schule Niedernfels Seit 1955 betrieb das Konvent der "Schwestern von der Heimsuchung Mariä" in Schloss Niedernfels eine Volksschule mit Internat, später auch ein Tagesheim. 1997 übernahm die KJF die Trägerschaft. Zum Pädagogischen Zentrum gehört die Franz-von-Sales-Schule. Sie bietet eine Flexible Schuleingangsstufe (Stufe 1 und 2), eine Grundschule (Klasse 3 und 4) und eine Mittelschule (Klasse 5 bis 9). 2009 konnte die Schule das neu errichtete und weitläufig angelegte Schulgebäude beziehen. Im September 2011 wurde das Angebot des Zentrums durch Integrationsplätze im Hort erweitert und in Kooperation mit der Achental Realschule Marquartstein eine eigene Tagesheimgruppe für RealschülerInnen eingerichtet. Das Leistungsspektrum des Pädagogischen Zentrums Schloss Niedernfels umfasst neben der Schule, eine Nachmittags- und/oder Mittagsbetreuung in verschiedensten Modellen, Internat- und Jugendhilfe-Wohngruppen (heilpädagogische Gruppen), eine heilpädagogische Tagesstätte, einen integrativen Hort und eine soziale Trainingsklasse als intensive Jugendhilfemaßnahme. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit den Jugendämtern und dem Bezirk Oberbayern. 2009 konnte der neue Schulbau bezogen werden. Im Hintergrund der Niedernfelser Hausberg Hochplatte. Foto: Gabriele Heigl/KJF